Der Herold der Anderwelt

„Oh, Oh“ ,flüsterte Jinnarien, „ich glaube, er hat uns gewittert!“ In einer Höhle hinter dem Heiligtum stand ein schreckliches Ding zwischen den grob gehauenen Steinwänden. Vier Meter hoch, sah aus wie ein gigantischer Teufel. Doch es war noch gewaltiger und brutaler, in den Pranken schwang es einen riesigen Morgenstern. Es war kein Teufel, sondern ein Herold der Anderwelt, der jetzt in die Luft schnüffelte, als wollte er die Witterung seiner Beute aufnehmen. Dann schien sich sein finsterer Blick genau auf den Eingang zu richten, in dem Jinnarien und Myolandra standen.
„Wir müssen hier verschwinden“, zischte Jinnarien. „Und der Herold?“ fragte Myolandra. „Wir können nur hoffen, dass er uns nicht sieht!“, meinte Jinnarien und blickte skeptisch zum Höhlenausgang.
Der Herold kam langsam auf sie zu. „Los!“, keuchte Jinnarien. Sie schlichen rückwärts dem Ausgang entgegen. Plötzlich brüllte der Herold mit rasendem Blick auf. „Himmel! Er hat uns gesehen!“, stöhnte Myolandra. „Renn!“, schrie Jinnarien. Sie flüchteten durch die düsteren Gänge und zogen eine Staubwolke hinter sich her.
Am nächsten Tag:
„Ich bin froh, dass Ihr überlebt habt, Myolandra!“ Myolandra seufzte und sah auf die kleine Kommandeurin der Tempelritter hinab, die neben ihm ritt.. „Es sind nur noch fünfzig von uns am Leben, Kommandeurin. FÜNFZIG!“ „So wenige?“ Elefele blickte auf die kleine Schar von Tempelrittern, die ihnen folgte. Ihre Miene wirkte angespannt. „Ja. Von Tausenden, die ihr entsandtet, sind nur noch fünfzig übrig.“, sagte Myolandra. „Meiner Seel!“, stieß Elefele mitfühlend hervor. Sie ritten eine Weile schweigend weiter, bis Elefele schließlich fragte:“Wo ist der Kopf des Herolds, den ihr holen wolltet?“ „Noch auf seinen Schultern, Lady Elefele. Nach der Schlacht im Heiligtum verließen uns die Kräfte.“
„Ihr habt dort gefochten?“ fragte Elefele. „Ja!“ „Und die Schlacht …?“ „....war blutig. Am Ende konnten wir nur noch Fersengeld geben. Wir haben vieles verloren.“
Wieder ritten sie eine Weile stumm nebeneinander her, zwischen den Hügeln entlang. Aber schließlich sagte Elefele in die Stille, fast wie zu sich selbst: „Wie so vieles.“ Myolandra sah die Kommandeurin fragend an. Elefele seufzte. „Viele Dinge liegen irgendwo herum, verschollen in den Trümmern des Krieges … die Unschuld ist nicht das Geringste unter ihnen.“

 

Veröffentlicht von Myolandra 15.08.2012

Teil 2 „Die Gefährten“


„Wenn wir einen vorbereiteten Feind angreifen, greifen wir seine Stärke an und erleiden hohe Verluste, vielleicht zu hohe. Was wir daher brauchen, ist die Möglichkeit, wie wir gewährleisten können, dass sich das Portal zum Herold öffnen lässt ohne viel Aufsehen zu erregen. Dafür habe ich einen Plan, der zwar den Erfolg nicht garantiert, uns aber gute Aussichten einräumt. Ich schlage vor, dass ein kleiner Einsatztrupp sich unbemerkt durch das Westtor der Drachenkavernen schleicht und dem Weg ostwärts folgt. Ein kleiner Trupp bestehend aus höchstens vier bis fünf Personen könnte den Westeingang unentdeckt erreichen, und ungesehen durch die Stollen und Tunnel zum Portal marschieren, ohne den Gegner zu alarmieren. Das Wagnis ist groß, aber es steht auch viel auf dem Spiel. Nur wer wagt gewinnt.“ Mit diesen Worten setzte sich Twitty wieder.
Zustimmendes Gemurmel erhob sich in den Reihen der Tempelritter.
Jellnick befürwortete diesen geplanten Handstreich, denn er entsprach seinem kühnen Wesen.
FlotteSocke und Myolandra hielten ihn für eine brillante, wenn auch gefährliche Strategie, um die Waagschale des Schicksals zu ihren Gunsten zu neigen. Der Plan war ein unerwartetes Meisterstück, um einen alten, verhassten Feind zu überraschen und letzten Endes zu überwinden.
Elefele, die Kommandeurin der Tempelritter, verfiel in tiefes Nachdenken und wog die Alternativen ab. Tiefe Stille senkte sich über den Rat, während Elefele über den Vorschlag grübelte. Nur das Knistern des Feuers in der Mitte des Kreises war zu hören.
Jinnarien hatte Visionen, wie sie sich verstohlen verbarg, während die Untoten vorbei marschierten und wie sie sich in den Kavernen auf der Flucht vor der Drachenbrut verirrte. Diese Visionen ließen die Magierin vor Furcht zittern. Aber sie konnte sich auch vorstellen, wie das Portal zum Herold der Anderwelt aufschwang und die fünf Tempelritter einmarschierten. Der Gedanke sich unentdeckt mitten durch die Schergen des Herolds zu schleichen, entsetzte Jinnarien, aber sie verstand die Notwendigkeit nur zu gut. Das Risiko war unkalkulierbar, aber das galt auch für den Gewinn.
Zittrig erhob sich die Magierin und sagte zaghaft: „Kommandeurin Elefele, ich werde mit Twitty, Jellnick, FlotteSocke, und Myolandra gehen, wenn ihr diesem Plan zustimmt.“
Die fünf tapferen Streiter schauten sich tief in die Augen, nickten einander zu und sahen dann erwartungsvoll zu Elefele. Von so viel Mut und Zusammenhalt überwältigt, konnte sie nur noch ihren Segen für dieses Unterfangen geben.
Und so verließen sie mit festem Schritt die Gildenmeisterin, um sich dem Herold zu stellen ...

 

Veröffentlicht von Myolandra 28.08.2012

Teil 3 „Die Schlacht“


Twitty war direkt vor dem Herold herumgelaufen und hatte dabei geschrien und die Arme geschwenkt, während sie dem herab sausenden Morgenstern auswich. Damit hatte sie die Wut des Herolds angestachelt und ihn so alles vergessen lassen, außer seinem Verlangen, dieses winzige Menschenwesen zu zerschmettern, das er jedoch nicht richtig traf. Wieder und wieder war Twitty ausgewichen und wieder und wieder ist der große Morgenstern funkensprühend auf das Gestein getroffen, wo Twitty noch einen Moment zuvor gestanden hatte. Aber Twitty wurde langsam müde, denn sie köderte den Herold schon zu lange und es fiel ihr immer schwerer, dem großen Morgenstern auszuweichen. Dann sah sie im Augenwinkel Jellnick, der ihr zu Hilfe eilte. Jellnick griff den Herold von hinten an und ließ sein Schwert in einem großen Bogen herab sausen, aber die Klinge prallte auf die Steinhaut des Herolds und glitt mit schrillem Kreischen ab.
„Seine Ferse!“ rief Jinnarien. „Ziehlt auf die Ferse, wenn ich ihn auf mich lenke!“ Und Jinnarien blieb einfach stehen.
Das Ungeheuer warf sich vorwärts und schwang seinen Morgenstern im weiten Bogen. Als der Herold sich streckte, wurde die Ferse stark gebeugt, und eine der geschuppten Platten seiner rötlichen Haut hob sich von der Ferse ab. Jellnick eilte vor und schwang sein Schwert weit ausholend und mit aller Kraft die er aufbringen konnte. Die Klinge traf ihr Ziel. Die scharfe Schneide glitt unter die Platte, durchtrennte die Sehne, schnitt bis auf die Knochen und fuhr ins Gelenk. Das Schwert wurde Jellnick aus der Hand gerissen und zerbrach beim Aufprall. Die Bestie war jetzt kampfunfähig, denn sie konnte nicht mehr stehen.
„Twitty wir haben es geschafft!“ rief Jellnick jubelnd. Als er aufblickte, sah er zu seinem Entsetzen, dass Jinnarien stehen geblieben war, so dass der Herold zu Fall gebracht werden konnte, und von dem Morgenstern ihr Arm zerschmettert war. Als er den zermalmten Arm von Jinnarien und den vor Schmerzen heulenden Herold am Boden liegen sah, ergriff eine wahnsinnige Wut Besitz von Jellnick. Er packte den „Morgenstern des Herolds“, den das Ungeheuer hat fallen lassen, und schlug mit voller Kraft auf den Herold ein. Der riesigen Kreatur traten die Augen aus den Höhlen, als sie noch einmal zu atmen versuchte, es aber nicht mehr konnte.
Er wandte sich von dem Ungeheuer ab, und lief zu Jinnarien. Twitty hatte in der Zwischenzeit schon den Arm geschient und verbunden. „Es wird eine Weile dauern bis du wieder bei vollen Kräften bist.“meinte Twitty mit einem Lächeln,und Jellnick fügte hinzu: „Und es hat sich gelohnt!“
Voller Stolz präsentierte er seine Kriegsbeute : der „Morgenstern des Herolds“
  

Veröffentlicht von Myolandra 28.08.2012